Das ist das, was wir über Gene gelernt haben. Dieses Wissen bestimmt aber nicht direkt unser Verhalten. Was aber unser Verhalten prägt sind die Eigenschaften, die genetisch zumindest teilweise fixiert sind und günstig für die Weitergabe unserer Gene waren.
Dazu gehören auch typische Reaktionen unserer Gefühle wie Eifersucht oder das Bedürfnis der Fürsorge. Diese Gefühle sind darauf ausgerichtet, das Überleben der Gene durch ihre Träger zu sichern. Daher z.B. die unterschiedliche Reaktion von Frauen und Männern auf körperliches bzw. gefühlsmäßiges Fremdgehen. Das sind natürlich Tendenzen, die sich nicht bei jedem Individuum zeigen, sonst hätte die Evolution ja auch keine Variation, an der sie ansetzen kann.
Aber es gibt eben auch diese Mechanismen der Bindung, die ganz wichtig sind. Denn normalerweise sind das erste, was junge Tiere sehen halt ihre Eltern bzw. aus Sicht der Eltern die eigenen Jungen. Genetische Verwandschaft kann man nicht sehen. Diese Bindung ermöglicht das Überleben der Jungen. Und der Mechanismus funktioniert auch wenn ganz offensichtlich keine Verwandtschaft besteht (wie bei Lorenz und dem Gössel Martina). Unsere Gefühle erleben Verwandtschaft als Kontakt.
Menschen trauern um ihre Haustiere! Hier besteht ganz offensichtlich auch keine Verwandtschaft. Die Bindung vom Kind an die Eltern und ggf. weitere Bezugspersonen hat sich entwickelt, weil sie unter normalen Umständen zum Überleben der eigenen Gene beiträgt. Aber sie funktioniert genau so unter ungewöhnlichen Umständen wo die eigenen Gene gar nicht involviert sind.
Als es um die Frage ging, ob Väter einen Vaterschaftstest ohne Zustimmung der Mutter veranlassen dürfen gab es eine hitzige Diskussion. Unter anderem haben kinderlose (!) Männer dieses Recht lautstark eingefordert. Manche davon wollten nie Väter werden (auch das eine bemerkenswerte Entscheidung die aus Sicht der Gene fatal ist). Und sie wurden von Vätern von Kuckukskindern zurecht gewiesen, die kein Problem mit ihrem Status hatten. Aus einer evolutionären Sicht erscheint das völlig logisch, aus einer rationellen ist es nicht verständlich.
Ich habe von jemandem gehört, der für den Umgang mit einem Kind gekämpft hat, von dem er wusste, dass es nicht von ihm war. Und es gibt Paare, die sich sogar entscheiden ein Kind aus einer Vergewaltigung durch einen Fremden gemeinsam großzuziehen.
Aber, aus evolutionärer Sicht ist auch zu erwarten, dass die Gefühle hier individuell variieren. Daher ist jedes Gefühl hier legitim, der Staat sollte dem durch eine breite Palette an rechtlichen Möglichkeiten gerecht werden.
Darüber hinaus sind Menschen soziale Wesen. Sie können im Grunde nur in Gruppen überleben. Die Evolution mit ihrer Selektion setzt daher auf mehreren Ebenen an. Auf der individuellen, auf der egoistisches Verhalten die Chance auf eigenen überlebenden Nachwuchs erhöht. Ebenso aber auf der Ebene der Gruppe, wo egoistische Verhalten die Überlebenschance der Gruppe und damit aller ihrer Mitglieder, also auch des eigenen Nachwuchses vermindert.
Aus Sicht des Kindes: Fahren die leiblichen Eltern und Bezugspersonen gegen einen Baum und sterben ist es natürlich auf jeden Fall vorzuziehen, das andere weniger nahe Bezugspersonen die Rolle übernehmen als eine fremde Pflegefamilie oder ein Heim.
Im Fall meiner Tante z.B. wäre es doch fatal gewesen, wenn diese sie liebende Mutter kein Recht an den Kindern gehabt hätte, weil sie nicht mit ihnen verwandt war. Und das wäre, soweit ich das verstehe, so gewesen wenn Kanada das Recht hier nicht liberalisiert hätte. Beim ersten Kind hatte sie das Glück, dass die Behörden den deutschen Namen „Maike“ mit dem englischen Maik verwechselt haben und sie als Vater eingetragen haben. Dann wurde die Homo-Ehe eingeführt und sie konnte die Mutter heiraten. Zu diesem Zeitpunkt ahnte sie sicher nicht, dass das einige Jahre später so wichtig werden sollte.