Gehen wir mit großen Schritten auf eine Wiederbelebung einer „Großen Koalition“ zu? Diese Koalition war tot und es mag wenig Sinn ergeben sie wiederzubeleben. Wie sagt ein altes Sprichwort der Dakota-Indianer: „Wenn Du entdeckst, dass Du einen totes Pferd reitest, steig ab.“
Zu diesem Problem hat der bundesdeutsche Amtsschimmel des Verwaltungsmanagements verschiedene Regeln aufgestellt, wie mit dem Sachverhalt eines Rittes auf einem toten Pferd verfahren werden soll:
Aus der Abteilung „Modernes Verwaltungsmanagement“
Fallbeispiel
„Ein totes Pferd reiten“
Erfolgsstrategien für die moderne Verwaltungsführung
Eine uralte Weisheit der Dakota-Indianer besagt:
„Wenn Du entdeckst, dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab.“
Diese Einstellung ist geprägt von Resignation und Passivität und damit kein Vorbild für uns. Na ja, was verstehen die Sioux auch schon von Pferden?
Da sind wir weiter. Wir als hochqualifiziertes Führungspersonal in der kommunalen Verwaltung haben für derartige Situationen zahlreiche erfolgsorientierte Strategien und zielführende Methoden entwickelt:
• Wir sagen: „So haben wir das Pferd doch immer geritten.“
• Wir weisen den Reiter an, sitzen zu bleiben, bis das Pferd wieder aufsteht.
• Wir stellen dem Reiter eine Beförderung in Aussicht.
• Wir ordnen Überstunden für Reiter und Pferd an.
• Wir schließen mit dem Reiter eine Zielvereinbarung über das Reiten toter Pferde.
• Wir gewähren dem Reiter eine Leistungsprämie, um seine Motivation zu erhöhen.
• Wir schicken den Reiter auf ein Weiterbildungsseminar, damit er besser reiten lernt.
• Wir organisieren regelmäßige Teamgespräche mit einem externen Supervisor, um die Kommunikation zwischen Reiter und totem Pferd zu verbessern.
• Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die darauf hinweisen, dass das Pferd tot ist, werden als Bedenkenträger angeprangert und zu Motivationsseminaren „Positiv denken in der Verwaltung“ angemeldet. (Vorschlag von Andrea Hofer)
• Wir praktizieren „Lean-Horse-Management“, d.h. wir führen Schulungen mit dem Reiter durch, um das tote Pferd mit Hilfe einer optimierten Ernährung von überflüssigen Pfunden zu befreien. (Vorschlag von Thomas Brinkmann)
• Wir schlagen dem Personalrat vor, Leistungsanreize für tote Pferde einzuführen.
• Wir erläutern dem Pferd, dass sein Verhalten zur Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen führen könnte.
• Wir sourcen den Stall für tote Pferde aus, um Futterkosten zu sparen. (Vorschlag von „asterio“)
• Wir setzen den Reiter um und schreiben die Stelle verwaltungsintern aus.
• Wir schreiben die Stelle des Reiters des toten Pferdes bundesweit aus, nachdem sich aus dem eigenen Haus kein qualifizierter Bewerber gefunden hat.
• Wir besorgen eine größere Peitsche.
• Wir verdoppeln die Futterration für das Pferd.
• Wir wechseln den Pferdelieferanten.
• Wir wechselnd den Futterlieferanten.
• Wir wechselnd das Stroh im Stall aus.
• Wir lassen den Stall renovieren.
• Wir schließen mit dem Personalrat eine Dienstvereinbarung über den Einsatz toter Pferde in der Verwaltung.
• Wir berufen einen ämterübergreifenden Arbeitskreis, um das tote Pferd zu analysieren.
• Wir besuchen andere Verwaltungen, um zu sehen, wie man dort Pferde reitet.
• Wir stellen fest, dass die anderen auch versuchen, tote Pferde reiten und erklären dies zum Normalzustand.
• Wir schließen uns einem interkommunalen Vergleichsring an, um entsprechend dem best-practice-Gedanken das tote Pferd zu optimieren.
• Wir bringen im Rahmen des Budgets die Produkt- und die Finanzverantwortung des toten Pferdes zur Deckung.
• Wir starten einen verwaltungsinternen Ideenwettbewerb zum Reiten toter Pferde.
• Wir ernennen einen Verwaltungsmitarbeiter zum Beauftragten für das Totepferdewesen.
• Wir beauftragen eine renommierte Beratungsfirma mit einem Gutachten, ob es billigere und leistungsfähigere tote Pferde gibt.
• Das Gutachten stellt fest, dass das tote Pferd kein Futter benötigt und empfiehlt, nur noch tote Pferde zu verwenden.
• Ein Ergänzungsgutachten ergibt, dass die Leistung des toten Pferdes etwa doppelt so hoch ist wie die Arbeitsleistung eines durchschnittlichen Beamten und empfiehlt die Verbeamtung des Pferdes. („Häh???“)
• Wir erhöhen die Qualitätsstandards für den Beritt toter Pferde.
• Wir lassen das tote Pferd nach DIN EN ISO 9001 zertifizieren.
• Wir bilden eine Task Force, um das tote Pferd wiederzubeleben.
• Wir stellen Vergleiche unterschiedlich toter Pferde an.
• Wir ändern die Kriterien, die besagen, ob ein Pferd tot ist.
• Zur Steigerung der Effizienz stellen wir einen Antrag auf Förderung beim Bund und schreiben öffentlich ein Upgrade „Totes Pferd 2.0“ aus. (Thomas Dieckmann)
• Wir schirren mehrere tote Pferde zusammen an, damit sie gemeinsam schneller werden.
• Wir erklären: „Kein Pferd kann so tot sein, dass man es nicht doch motivieren könnte.“
• Wir beantragen Fördermittel der EU aus dem Landwirtschaftsfond für Pferdehaltung.
• Alternativ schlagen wir vor, das tote Pferd als EU-Kommissar nach Brüssel zu berufen.
• Wir erklären: „Wenn man das tote Pferd schon nicht reiten kann, dann kann es doch wenigstens eine Kutsche ziehen“.
• Wir bilden einen Qualitätszirkel, um eine Verwendung für tote Pferde zu finden.
• Wir überarbeiten die Dienstanweisung für das Reiten von Pferden.
• Wir richten eine unabhängige Kostenstelle für tote Pferde ein.
• Wir weisen darauf hin, dass im Rahmen des Neuen Kommunalen Finanzmanagements das tote Pferd als bewegliches Anlagevermögen zu bewerten ist.
• Wir definieren ein eigenes Produkt „Reiten toter Pferde“.
• Wir erstellen eine Power-Point-Präsentation, um zu zeigen, was das Pferd könnte, wenn es denn nicht tot wäre.
• Wir bilden innerhalb der Verwaltung ein neues Sachgebiet mit Integration aller toten Pferde, um Synergieeffekte zu nutzen.
• Wir überlegen die Gründung einer kommunalen GmbH für tote Pferde, nachdem die Einrichtung eines optimierten Regiebetriebes bzw. eines Eigenbetriebes keinen Erfolg brachte.
• Wir suchen einen finanzstarken Partner aus der Privatindustrie und gründen zusammen mit dessen toten Pferden ein Public-Private-Partnership-Projekt.
• Wir tauschen das tote Pferd gegen ein anderes totes Pferd aus, das laut Produktbeschreibung schneller läuft.
• Wir tauschen das tote Pferd gegen eine tote Kuh aus.
• Wir erschießen alle lebendigen Pferde, um die Chancen unseres toten Pferdes zu erhöhen. (Vorschlag Thomas Vogler)
• Im Rahmen eines internationalen Artenschutzabkommens verpflichten sich alle Partner, das Aussterben toter Pferde zu verhindern. (Anregung Heide Stan)
• Wir kündigen nach Anhörung des Personalrates dem Pferd fristlos, da es sich um einen klaren Fall von Arbeitsverweigerung handelt.
• Wir verklagen das Pferd zivilrechtlich auf Schadensersatz wegen Nichterbringung einer zugesicherten Leistung.
• Wir gründen ein Crowdfunding-Projekt, damit Andere auch die Chance erhalten, ein totes Pferd zu reiten. (Thomas Dieckmann 2018)
• Wir lassen „Totes Pferd“ patentieren und markenrechtlich schützen, damit wir Nachahmer zur Kasse bitten können. (Thomas Dieckmann 2018)
• Wir wenden die Helmut-Kohl-Strategie an: Wir setzen uns hin und warten sechzehn Jahre, ob das Pferd sich nicht einfach nur tot stellt.
• Wir wenden die Gerhard-Schröder-Strategie an: Wir schnallen dem toten Pferd einen leichteren Sattel um, damit es die Chance hat, sich wieder von selbst zu erholen.
• Wir wenden eine der beiden Angela-Merkel-Strategien an:
a) Alle dürfen munter sich widersprechende Vorschläge machen und am Schluss ist der Koalitionspartner schuld, wenn das Pferd sich nicht bewegt.
b) Erst fordern, dass eine gemeinsame Lösung gefunden werden muss, dann das tote Pferd als alternativlos präsentieren und ihm danach das Vertrauen aussprechen (Holger Emden).
• Wir erklären, daß ein totes Pferd von Anfang an unser Ziel war.
• Wir behaupten, das tote Pferd sei von den Vorgängern beschafft worden. (Thomas Dieckmann 2018)
• Wir legen das tote Pferd bei jemand anderem in den Stall und erklären, es sei seines.
• Wir leugnen, jemals ein Pferd besessen zu haben.
P.S.: Eine weit verbreitete Handlungsmaxime in der Praxis lautet:
„Wenn Du merkst, dass Du ein totes Pferd reitest, sorge für einen bequemen Sattel - es könnte ein langer Ritt werden!“
(Frank Menzel 2008)
Aber Spaß beiseite, die Angelegenheit ist ernst genug. Der Möchtegern-Kanzlerkandidat Söder erklärt die Grünen als Gefahr für die Demokratie, sein Kumpel im Geiste, Aiwanger, stößt ins gleiche Horn mit noch populistischeren Äußerungen – links-grün-versifft-, Merz erklärt die Grünen zum Hauptgegner. Merz trifft sich mit Scholz um einen „Deutschland-Pakt“ auszuloten und bietet sich, d.h. die Christliche Union der Reiter von toten Pferden, dazu noch als Koalitionspartner an.
Hat man so viel Angst vor den rechten Extremisten, die ihre Politik auf Angst schüren gründen?
Eine seit 10 Jahren gut funktionierende Koalition aufzugeben, weil die sinkende SPD der geschmeidigere Partner sein könnte?
Im heutigen Tagesspiegel, 11.11.2023, wurde im Leitartikel dieses Thema aufgegriffen. So als Schlussaussage: „Genau diese Krisen und Kriege erfordern eine Regierung, die ihren Auftrag erfüllt. Nämlich gemeinsam zu regieren, statt sich permanent selbst zu blockieren, zu zerstreiten, zu misstrauen.
Manchmal übrigens ist es gar nicht nötig, einen Koalitionswechsel über Monate zu planen, vorzubereiten. Manchmal diktieren Ereignisse einen solchen Schritt. Manchmal fällt eine Regierung schlicht in sich zusammen.
„Die Schnittmengen sind einfach größer“, sagte Boris Rhein am Freitag über seinen künftigen Regierungspartner, und: „Jede Zeit hat ihre Herausforderungen.“ Mit diesen beiden Sätzen ließe sich eine Koalition von SPD und Union im Bund allemal begründen.“
Welche der o.a. Regeln des Amtes für Verwaltungsmanagement kann hier angewandt werden?
Wir ignorieren, dass das Pferd tot ist und weisen den Reiter an zu warten bis das tote Pferd wieder aufsteht.
Ich denke, es sind aber alle Maßnahmen möglich.