Liebe UEFA, Toleranz ist nicht politisch!

Original Veröffentlichung: Liebe UEFA, Toleranz ist nicht politisch! | DEMOKRATIE IN BEWEGUNG - DiB

Dieser Tage beschĂ€ftigt eine Frage einen großen Teil der Bevölkerung in Deutschland und zum Teil auch in ganz Europa. Ist der Einsatz fĂŒr Toleranz und Menschenrechte politisch?

Wir bei DiB mĂŒssen nicht lange ĂŒberlegen und haben unsere Antwort darauf gefunden: Nein, Toleranz ist nicht politisch sondern selbstverstĂ€ndlich. Und Toleranz und Respekt gelten nicht nur dann, wenn es einem, in diesem Fall der UEFA, gerade in den Kram passt.

Generell ist die UEFA diese gesamte Europameisterschaft betreffend an Doppelmoral nicht zu ĂŒberbieten. Man denke nur beispielsweise an die dĂ€nische Mannschaft, die trotz des Herzstillstandes eines Mannschaftskameraden das Spiel zu Ende spielen musste.

Aber diese Geschichte setzt dem Ganzen die Krone auf. Wieso weigert sich eine Organisation, die im Vorfeld der EM eine riesige Kampagne mit dem Titel „Respect“ gefahren hat, so sehr, sich fĂŒr die Rechte von queeren Menschen einzusetzen? Ein Zeichen zu setzen, dass Homophobie im Fußball keinen Platz hat, zu zeigen, dass Fußball auch bunt und divers sein kann?

Um diese Frage zu beantworten, mĂŒssen wir nach England schauen. Die UEFA blickt nĂ€mlich mit großer Sorge auf die englische Hauptstadt. Wegen der steigenden Infektionszahlen durch die DELTA-Variante von Covid19 wackelt das Finale in London. Als Ersatz hat die UEFA Budapest im Sinn. Die BegrĂŒndung dafĂŒr ist so aberwitzig wie absurd: Auch in Ungarn wĂ€re ein volles Stadion erlaubt, wĂ€hrend das in den anderen AustragungslĂ€ndern nicht möglich wĂ€re. Klar, mitten in einer Pandemie ist das volle Stadion natĂŒrlich das Wichtigste. Da kann man schon mal auf Toleranz und Menschenrechte schei***. Was interessiert die UEFA da ihr Respect-GeschwĂ€tz von gestern? Wie die UEFA zur Corona-Pandemie und den Maßnahmen steht hatte sie ja unlĂ€ngst bewiesen, als sie Ausnahmeregeln von Einreise- und QuarantĂ€nebestimmungen fĂŒr VIPs und FunktionĂ€re gefordert hat. Andernfalls drohte man, London das Finale zu entziehen. Die einen erpresst man und fĂŒr die Backup-Version biedert man sich einem Despoten an.

In ihrer Absage an die Stadt MĂŒnchen schrieb die UEFA, dass man politisch neutral sei und der Aktion deshalb eine Absage erteilt. Liebe UEFA, eure Absage an diese Aktion ist aber ebenso politisch. Denn eine Sportart, wie Fußball, die eine derartige Strahlkraft weltweit hat, kann nicht unpolitisch sein. Mit der Absage wurde der LGBTQ-Community ein Messer in den RĂŒcken gerammt und der Despot Orban gestĂ€rkt. Ihr habt die Chance verstreichen lassen, mehr als nur ein Lippenbekenntnis zu Respekt abzugeben. Bunte Filmchen produzieren ist einfach. Und was hĂ€tte denn passieren sollen? Dass Orban das Finale in Budapest verbietet? Na und? Viele andere StĂ€dte hĂ€tten das Finale mit Kusshand genommen. Mit weniger Zuschauern, na und? DafĂŒr hĂ€ttet ihr nicht die menschenverachtenden Ansichten eines Despoten geduldet und legitimiert. Liebe UEFA, ihr stehlt euch hier unter fadenscheinigen BegrĂŒndungen aus eurer Verantwortung. Es wird nur einmal mehr deutlich, dass es nur um den Profit geht, Menschenrechte und Menschenleben stehen nicht an erster Stelle.

Wir bei DiB kĂ€mpfen seit unserer GrĂŒndung fĂŒr die Rechte von queeren Menschen und haben als einzige Partei Deutschlands eine Vielfaltsquote von 25 Prozent in unserer Satzung. Wir möchten einen Raum schaffen, in dem jeder Mensch, egal welcher sexuellen Orientierung oder welcher GeschlechtsidentitĂ€t sich wohl- und auch sicher fĂŒhlen kann. Am Dienstag hat sich der erste Spieler der amerikanischen NFL als homosexuell geoutet. Im Fußball hat sich das noch keiner getraut. Und wenn die VerbĂ€nde so weitermachen, wird sich das weiterhin keiner trauen. DarĂŒber sind wir sehr traurig und appellieren an die VerbĂ€nde endlich ihrer Vorbildfunktion nachzukommen.

Toleranz ist nicht politisch!

10 „GefĂ€llt mir“

Wie man sieht, ist Toleranz leider sehr politisch. Erst kommt der Profit und dann die Menschenrechte.

Die UEFA heult KrokodilstrĂ€nen, wenn nicht genug zahlende Zuschauer ins Stadion dĂŒrfen. Ja, da gehen Einnahmen verloren, aber was ist mit den KĂŒnstlern und Eventagenturen die seit einem Jahr keine oder kaum Einnahmen haben?

Die sind egal, die haben keine Lobby.

Toleranz wird erst thematisiert wenn man genug Geld verdient hat.

3 „GefĂ€llt mir“

Hier noch eine gegensĂ€tzliche Meinung, die gestern in unserer Lokalpresse unter „Die Uefa hat recht“ erschienen ist:

"Die Uefa verbietet, das MĂŒnchner EM-Stadion in Regenbogenfarben zu tauchen – zum Skandal taugt diese Entscheidung nicht. Zwar hat der Regierungschef des deutschen Gegners Ungarn, Viktor Orban, Kritik an seiner Intoleranz gegenĂŒber Anderslebenden verdient. Doch es gibt gute GrĂŒnde, sich den demonstrativen Akt zu verkneifen, gegen diese Politik beim Fußball Farbe zu zeigen.

So wirkt es unangenehm belehrend, andere – eben nicht nur Orban, sondern gleich das ganze ungarische Fußballvolk – mit großer Geste auf den richtigen toleranten Weg bringen zu wollen. Außerdem wĂ€re es ein billiges Ablenkungsmanöver von heimischen Problemen, wo sich doch Bundesligaspieler erst nach dem Ende ihrer Karriere trauen, sich zur eigenen HomosexualitĂ€t zu bekennen. Hinzu kommt: In ihrer Haltung, Politik aus den Stadien herauszuhalten, hat die Uefa im Grundsatz Recht. Denn die Aktion mit den Regenbogenfarben verfolgt zwar ein berechtigtes Anliegen. Aber was ist, wenn andere es nachtun wollen? Dann stĂŒnde es Orban frei, das Budapester Stadion in das Orange seiner rechtskonservativen Fidesz-Partei zu tauchen. Bitte nicht!"

Finde den einen oder anderen Aspekt gar nicht so falsch, auch wenn meine eigene Einstellung eine andere ist und im Prinzip dem ursprĂŒnglichen Blog hier entspricht.

1 „GefĂ€llt mir“

Die Profisportwelt ist scheinheilig und hat eine Doppelmoral wie nix anderes im Universum. Da war diese Entscheidung einfach ‚konsequent‘.

Nur wer in dieser 'Schein’welt lebt, kann felsenfest glauben und behaupten, Fussball oder Olympia etc. unpolitisch sei. Hauptsache der Rubel rollt.

4 „GefĂ€llt mir“

Ich finde alle Aspekte falsch.
NatĂŒrlich ist es „unangenehm belehrend“ nicht nur fĂŒr Orban. Das soll es ja auch. Wer heute noch ein Problem damit hat, wie andere fremde Menschen ihre Geschlechtsrolle verifizieren, ist eben zu belehren, dass wir das Jahr 2021 schreiben.

Sportgrossveranstaltungen sind alle politisch, mal mehr , mal weniger. Wenn man mit ein paar Leuten auf dem Bolzplatz kickt, dann ist das Ganze vielleicht wirklich unpolitisch. Wobei es ja auch dort Situation gibt, wo man den GeflĂŒchteten ausschliesst.

Wenn es nicht nur um grosse Kohle gehen wĂŒrde im Spitzensport, sondern um Austausch und Begegnung der Völker, dann wĂŒrde man gar kein Spiel in Ungarn oder Katar veranstalten. Da wĂŒrde ĂŒberhaupt gar nicht erst angefragt.

Hier geht es um Haltung gegenĂŒber Grund- und Menschenrechten. Wem das zu politisch ist, der hat eben keine Haltung oder eine, mit dem ich kein Fussball gemeinsam spielen möchte (möchte ich sowieso nicht, mit Niemandem - ich hasse Sport).

1 „GefĂ€llt mir“

Das Argument, dass Orban sonst das Budapester Stadion in Parteifarbe einfĂ€rben könnte zieht schon deshalb nicht, weil die Regenbogenfarbe Toleranz und Respekt ausdrĂŒcken soll, keine Partei. Das MĂŒnchner Stadion sollte ja nicht im CSU-Schwarz er’strahlen’. :smiley:

Und ja, neben den Regierenden muss eben auch das „Fußballvolk“ belehrt werden, was in der EU gilt, solange Ungarn - also auch Regierende und ‚Fußballvolk‘ - Teil dieser EU sein will.

Dass die deutschen Regierenden, der DFB, die Fußballvereine sich auch nicht mit Ruhm bekleckern wĂ€re doch kein Grund so eine Aktion abzublasen. Dies kann man im Nachgang auch gegen diese einsetzen. :wink:

1 „GefĂ€llt mir“

Genau. Wer sich als Spielort fĂŒr eine EM bewirbt, muss strenge VertrĂ€ge unterschreiben, alle Logos, Schilder, Werbung usw. sind festgelegt. Aus Sicht des Milliardenkonzerns ist es „logisch“, zu offensichtliche politische Statement draußen zu halten, weil das eher Konflikte gibt. In diesem Fall gab es keine konfliktfreie Lösung, aber so ist man gewappnet fĂŒr zukĂŒnftige Ideen, falls z.B. mal jemand Hakenkreuze aufhĂ€ngen möchte. Wie gesagt, eine Profit-abwĂ€gende Business-Entscheidung.

Hier noch eine kleine Presseschau aus dem Krautreporter-Morgenpost-Newsletter:

Regenbogen-Debatte: 13 LĂ€nder verlangen von EU mehr Ungarnkritik
Heute um 21 Uhr spielt Deutschland bei der Fußball-EM gegen Ungarn und im Vorfeld hat vor allem der Streit um die Beleuchtung des MĂŒnchner Stadions die Diskussion bestimmt, der Tagesspiegel fasst sie zusammen.
Die Stadt wollte die Allianz-Arena als Zeichen fĂŒr mehr Toleranz fĂŒr die LGBTQIA*-Community in Regenbogenfarben anstrahlen. Die Uefa hat diesen Plan aber mit der BegrĂŒndung untersagt, es sei unzulĂ€ssig, dass nur bei der Partie gegen Ungarn diese Beleuchtung gewĂ€hlt werde. Es handele sich damit um einen unzulĂ€ssigen politischen Kommentar zu einem vor wenigen Tagen dort beschlossenen Gesetz. Dies verbietet unter anderem, in Schulen ĂŒber HomosexualitĂ€t und TranssexualitĂ€t aufzuklĂ€ren und es sieht vor, BĂŒcher, Filme und Werbung mit diesen Themen von Jugendlichen fernzuhalten.
Auch politisch hat das Gesetz nun ein Nachspiel: 13 EU-Staaten verlangen von der EU-Kommission, geltendes EU-Recht wie Meinungsfreiheit stÀrker durchzusetzen und notfalls vor den EuropÀischen Gerichtshof zu ziehen, zusammengefasst bei der SZ.
Durch die Bank gab es heftige Kritik am Verhalten des Fußballverbandes. Zeit Online sieht in der Entscheidung „Scheinheiligkeit“ - fĂŒr Menschenrechte werde sich nur einsetzt, wenn es „niemandem wehtut“. „Ein typischer Uefa-Skandal und ein Image-Desaster“, findet die taz.
Beim RND meint jedoch Andreas Niesmann: „Die Uefa hatte keine andere Wahl“, weil der Stadtrat seine Beleuchtungs-Idee ausdrĂŒcklich mit dem ungarischen Gesetz begrĂŒndet hatte, anstatt schlicht zu argumentieren, dass man ein allgemeines Zeichen fĂŒr Toleranz setzen wolle. Die FAZ findet, dass die Politik den Protest gegen Viktor OrbĂĄn nicht dem Sport aufbĂŒrden dĂŒrfe.
Weniger Probleme hat die Uefa damit, lokale Corona-Regeln aus dem Weg zu argumentieren: Mit der britischen Regierung hat man sich geeinigt, dass beim Finale und bei zwei Spielen zuvor im Wembley-Stadion jeweils 60.000 getestete und geimpfte Fans dabei sein dĂŒrfen.

Quelle: Christian Fahrenbach, Krautreporter, Morgenpost vom 23.6.2021

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