Kultur der Verschwendung

Im Tagesspiegel vom 4.12.2022 wurde auf Seite 9 ein Artikel veröffentlicht mit dem Titel: „McKinsey-Kolonialismus - Golfstaaten in der Beraterfalle“

Er schließt mit den Worten: „Kultur der Verschwendung
Ohnehin setzen die Beratungsfirmen eine Art koloniale Praxis fort. Selbst wenn sie ihr Mandat von souveränen Staaten erhalten – die daraus entstehende Abhängigkeit hat historische Wurzeln. 1923 brachte die britische Krone einen Berater zur Generalverwaltung in das kolonialisierte Bahrain, was das System indirekter Herrschaft entschieden prägte. Andere Länder folgten. Bis heute sind die Beraterfirmen wenig daran interessiert, dieses Erbe abzuschütteln. Einheimische beklagen geringe Einstiegschancen in die Branche und kaum Teilhabe als Mitarbeiter.
Dabei stehen die Golfstaaten vor großen Herausforderungen. Eine zunehmend junge Bevölkerung benötigt neue Arbeitsplätze. Wirtschaftssektoren jenseits von Öl und Gas kommen nur schwer auf die Beine und die Wasserstoff-Zukunft ist ungewiss. Eine Kultur der Verschwendung von oben herab zehrt kostbare Ressourcen auf.
Es existiert kein Langfristplan für die Millionen von Arbeitsmigranten, die den modernen Golf erbaut haben. Doch für die Beratungsunternehmen sind die Golfstaaten und ihre Bewohner nur selten mehr als Powerpoint-Folien mit Kamelen, Bargeld-Türmen und Lamborghini-Phantasien.“

Ist das nur in den Goldstaaten so? Diese Frage muss man sich stellen. Welchen Einfluß auf Entscheidungen die Beratungsfirmen bei uns. Es ist schon erschreckend, dass die Gemeindeverwaltung in Schwetzingen PWC (Price, Waterhouse, Cooper) beauftragt den Stadträten die „beste“ Firmenkonstruktion der städtischen Wohnbaugesellschaft zu verkaufen. Nicht die Gemeinnützigkeit spielte eine Rolle, sondern die beste rechtliche Konstruktion. Die städtische Wohnbaugesellschaft wird nun in Form einer GmbH & Co KG geführt. So werden Verantwortungsstrukturen vernebelt. Es genügt nicht, dass der Gemeinderat nun den Aufsichtsrat der haftenden GmbH stellt. Die wirtschaftliche Kompetenz liegt bei der KG, die evtl. Kapital aufbringen muß. Ein Aufsichtsgremium für KGs, Kommanditgesellschaften ist rechtlich nicht vorgesehen. So kann die Wohnungsbaugesellschaft streng nach kapitalistischen Methoden Wohnungsbaupolitik betreiben und ihre wirtschaftlichen Ziele bei mind 5% Rendite definieren. Und dies alles unter dem Motto des „bezahlbaren Wohnraums“.

Bedenken wir weiter die Einflussnahmen von namhaften Anwaltskanzleien, die maßgebend an der Gesetzgebung der Bankenregulierung nach der Finanzkrise mitwirkten und dem Bankenverband nahestanden.

Was können wir gegen den überbordenden Einfluß dieser „Beratungsfirmen“, sprich Lobbyisten“ tun, die letztlich unser aller Leben beeinflussen?

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sinnvoll wäre, dass Gesetzesvorlagen nicht mehr von Lobbyisten geschrieben werden, sondern von den Abgeordneten, deren Mitarbeiter*innen bzw. den entsprechenden Arbeitsgruppen und Ausschüssen in den Parteien. Aber vermutlich ist dies nur ein Wunschdenken …

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Jedes Ministerium verfügt über einen ausreichenden Stab an juristischen Mitarbeiterm. Und hier liegt das Problem. Um Gesetze zu machen genügt es nicht ein Jurastudium abgeschlosssen zu haben. Es ist entscheidend, dass die Ersteller eines Gesetzes über umfassendes Wissen über das rein juristische Denken hinaus vorweisen können.
Hier nun wieder ein Aber. Juristen können die Gesetze in eine rechtsscihere Form bringen. In der Regel verfügen sie nicht über das erforderliche umfassende Sachwissen. Dazu gehört vor allem, das erkennen der Folgen aus dem Gesetz. Das Sachwissen muss von Beratungsgremien aus allen gesdellschaftlichen Gruppen kommen.
Lobbyisten vertreten nur die Nutznießer eines Gesetzes, die Betroffenen werden selten gehört. Die Beipiele ungenügender Gesetze der vergangenen Monate sind Beipiele dieses Mißstandes. Komplexe Sachverhalte werden nicht beachtet.
Montesquieu: Es darf etwas nicht Recht sein, nur weil es Gesetz ist, es muß Gesetz sein, weil es Recht ist.

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… und dabei kommen immer wieder unausgegorene Gesetzestexte heraus, die mit Sicherheit nicht mit Blick auf das „öffentliche Interesse“ oder das Gemeinwohl der Bevölkerung erarbeitet werden.

Die Bestimmungen eines Gesetzes werden, da sie für sämtliche Anwendungsbereiche gültig sind / passen müssen, i. d. R. abstrakt formuliert – sehr praktisch für Lobbyisten, die Gesetzestexte erarbeiten „dürfen“, denn damit müssen sie nicht in die Niederungen von Details (z. B. im Hinblick auf das Gemeinwohl) herabsteigen, tun dies aber natürlich im Sinne derer, für die sie lobbyieren.

Die abstrakten (und damit stark interpretationsoffenen) Formulierungen führen dazu, dass zu den Gesetzen Ausführungsverordnungen (Gewaltenteilung) bzw. Durchführungsverordnungen (Länderrepublik) erlassen werden, von denen viele im Laufe der Zeit immer wieder angepasst werden.

Was bei einem solchen Gesetzgebungsprozess herauskommt (häufig gespickt mit vielen Verweisen und Querverbindungen zu anderen Regelwerken), ist für Nichtfachkundige kaum noch zu überblicken, geschweige denn zu verstehen.
Die Beachtung des „öffentlichen Interesses“, d. h. die Sicherstellung, dass die Belange des Gemeinwohls (Art. 14 Abs. 2 GG) über die Individualinteressen gestellt werden, liegt damit in hohem Maße in der Verantwortung der Länder, die auf der Basis der Bundesgesetze ihre länderspezifischen Gesetze erlassen.

Richter stehen damit vor dem Problem, bei der Urteilsfindung nicht nur die fallspezifischen Gesetze und die zugehörigen Aus- und Durchführungsverordnungen, nebst Änderungen und/oder Ergänzungen, sondern ggfls. dazu noch andere den Fall tangierende Gesetze (Querverbindungen) berücksichtigen zu müssen.

Aus allen, genau, und deshalb unbedingt unter Einbeziehung von Bürger*innen (von Bürgertischen?) die ihre Erfahrung aus der Praxis einbringen können, welche Folgen die Vernachlässigung oder die zumindest ungenügende Berücksichtigung von Bürgerinteressen hat - siehe das Ergebnis Deines Beispiels eines durch PWC erarbeiteten Konstrukts zur Schaffung bezhlbaren Wohnraums in Schwetzingen. Die Erteilung dieses Auftrags an ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen, das naturgemäß auf die Interessen von Unternehmen fokussiert ist, hätten die letztlich Betroffenen mit Sicherheit nicht unterstützt.
[Hinweis: Formulierung dieses Absatzes zum besseren Verständnis nachträglich geändert.)

Meines Erachtens könnte DiB sich mit dem Anprangern dieses Missstands - verbunden mit der Aufklärung über solche Hintergründe - durchaus profilieren (Misstände die, eben, weil so schwer verständlich, sehr vielen Menschen nicht bewusst sein dürften).

Wäre das, @Guido - bzw. @Goldi50, falls Du bereits dort aktiv bist - nicht auch ein Thema für Mastodon?

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Das steht - meines Erachtens - Einfluss ‚obskurer‘ (verdeckter) priv. (Wirtschaft) Interessen vs. (öffentliches) Anhören der Träger öffentlicher Belange.
Beides erfährt man/frau - mit etwas Glück - erst als Kommentare aus den Medien. Oft, erst wenn die Suppe schon gekocht ist und Bürger*innen es auslöffeln müssen.

Politik(-Gremien/Institutionen) sind dafür da (sollten sein), Wohl der Allgemeinheit zu wahren/mehren.
Interessenberbände, NGOs, etc. sind da eher ‚pertikuläre Treiber‘.
Politik (regierende) hat es also oft nicht leicht, ggf. gegen eigene Überzeugung - von Meinung der ‚Anderen‘ ganz zu schweigen - ein Interessenausgleich herbei zu führen.
Das kann nur komplex ausfallen.
Kann unpopulär sein, weil keine Seite 100pro zufrieden gestellt werden kann.

Politik (regierende) muss also den Spagat zw. Überzeugung und Konsens und Kritik leisten.

Dies kann nur gelingen, wenn Politik transparent mündige Bürger und deren Belange mit einbezieht - und dies über das übliche ‚Parteigängertum‘ (das Kreuzchen) hinaus.

Darüber hinaus hat die Politik auch ein ‚Bildungsauftrag‘ (!)
(fällt die Qualität der ‚Meinungen‘ in der Masse der Gesellschaft, fällt die Qualität der Demokratie (!))

Heisst: Jede Menge an offener, ehrlicher, transparenter Kommunikation vor Meinungsbildeng und Entscheidung ist zwingend (!) erforderlich!

Politik also ‚Beratern‘ zu überlassen - bzw. deren Einfluss unkritisch zu mehren - ist gefährlich.

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